Ihr Untertitel

Vortrag über Fritz Bauer am 28. Juni in der Willi-Zinnkann-Halle in Büdingen


Als hessischer Generalstaatsanwalt war Fritz Bauer verantwortlich für das Zustandekommen des Auschwitz-Prozesses, der von Dezember 1963 bis August 1965 in Frankfurt am Main statt fand. Mit diesem Prozess gewann die Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Bundesrepublik Deutschland erstmals eine öffentliche Dimension. Er war einer der bedeutendsten Vorkämpfer für Strafrechts- und Strafvollzugsreformen, für Resozialisierung und für eine gesellschaftliche Verantwortung des Justizwesens beim Wiederaufbau einer demokratischen Gesellschaft

Heißt neue Brücke bald Fritz-Bauer-Steg?

NAMENSGEBUNG SPD möchte an ehemaligen Generalstaatsanwalt erinnern / „Zeichen für die Gemeinsamkeit aller Demokraten“

BÜDINGEN - (red). Die neue Fußgängerbrücke über den Seemenbach ist installiert. Sie soll noch in diesem Monat eröffnet werden. Einen Namen hat der neue Übergang von der Emil-Diemer-Anlage zum Amtsgericht noch nicht. Die Büdinger SPD macht einen Vorschlag, wie die Brücke heißen soll: Fritz-Bauer-Steg. Einen entsprechenden Antrag hat der stellvertretende Ortsvorsteher Manfred Scheid-Varisco für die nächste Ortsbeiratssitzung am 14. Dezember eingebracht.

„Die neue Brücke verbindet zwei Institutionen, die Stadtverwaltung und das Amtsgericht. Deren Wirken steht zentral für eine funktionierende Demokratie. Das war nicht immer der Fall“, begründet die SPD den Antrag in einer Pressemitteilung. „Der ehemalige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hat sich – unterstützt vom damaligen Ministerpräsidenten Georg August Zinn – schon sehr früh gegen das Vergessen und Vertuschen gewehrt. Mit seinem Namen sind die Wiederherstellung der Ehre der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, die Frankfurter Auschwitz-Prozesse und nicht zuletzt die Ergreifung und Überführung Adolf Eichmanns nach Israel verbunden.“

Fritz Bauer war in dreifacher Hinsicht verfolgt: als Jude, als Sozialdemokrat und als Schwuler – auch noch nach 1945. Nach dem Krieg trat er nicht nur für Menschlichkeit und Gerechtigkeit ein, er verweigerte sich auch dem Trend in der deutschen Nachkriegsjustiz, vor den Gräueltaten der Nazis die Augen zu verschließen und nichts gewusst zu haben. „Wenn Deutschland heute in der Welt wieder Glaubwürdigkeit gefunden hat, dann haben wir das unter anderem auch dem Wirken Fritz Bauers zu verdanken. Mit Rückendeckung des damaligen Ministerpräsidenten hat sich Bauer als einer der ersten um die Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte verdient gemacht“, betont Scheid-Varisco.

„Mit der möglichen Benennung der Brücke könnte ein Mann ausgezeichnet werden, der sich unbequem und unerschrocken der Aufgabe verschrieben hat, Gerechtigkeit und Menschlichkeit Geltung zu verschaffen. Gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulisten und Neonazis Morgenluft wittern, ist der aufrechte Gang wichtig – und dafür ist Fritz Bauer ein gutes Vorbild“, begründet die SPD ihren Antrag.

Nach den Ereignissen in Büdingen in diesem Jahr, die der Stadt einen schlimmen Ruf eingebracht hätten, könne mit dieser Namensgebung ein Zeichen für die Gemeinsamkeit aller Demokraten auf der Grundlage von Menschlichkeit und Gerechtigkeit gegeben werden, so die SPD abschließend.

Quelle: Kreisanzeiger

http://www.fritz-bauer-archiv.de

 

FRITZ M. BAUER (1903-1968)


"Widerstand ist Kritik und Opposition in Rede und Schrift, Widerstand war und ist der Streik. Die Plebejer streikten, Ghandi schuf eine Bewegung des bürgerlichen Ungehorsams, und die Schwarzen der Südstaaten der USA folgen Ghandi und seinem Nachfolger Martin Luther King. Emigration aus dem Land einer Tyrannei ist Widerstand. ... Sie war immer aufopferungsvoller Ungehorsam. Widerstand ist die Weigerung, einem ungerechten Befehl oder Gesetz zu folgen, ist die Hilfe, die den Opfern eines bösen Staats geleistet wird."


Die gemeinnützige BUXUS STIFTUNG GmbH, die dem Erbe Fritz Bauers verpflichtet ist, hat eine Webseite über Fritz Bauer publiziert: http://www.fritz-bauer-archiv.de, dort sind alle weiteren Informationen gebündelt, auch zum Thema Umgang mit Rassismus und Persönlichkeitenrechten in den neuen Fritz Bauer-Filmen.

Fritz Bauer-Biographin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen BUXUS STIFTUNG GmbH PD Dr. Irmtrud Wojak unterstützt den Vorschlag der SPD Büdingen. 

Auch in New York findet der Vorschlag der SPD Büdingen Beachtung:


(Auszug aus der E-Mail)


...
Mich verwundert aber sehr, daß es überhaupt zu einem Für-und-Wider der Benennung eines Brückchens zu Ehren von Dr. Fritz Bauer kommen kann. Ich schreibe daher Ihnen beiden in der Hoffnung, dass Sie sich vereint über solch Für-und-Wider hinwegsetzen mögen.

Büdingen und seine Umgebung sind nämlich zu einer Hochburg der hessischen Neo-Nazis geworden, und es wäre wirklich bedenklich, wenn die demokratischen Parteien in Büdingen - FWG, SPD, CDU - sich nicht auf diese ja doch minimale Ehrung jenes deutschen Juristen einigen könnten, der wie kein anderer die gerichtliche Aufdeckung der Nazi-Verbrechen mittels Präzedenz-setzenden Prozessen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen so vorangetrieben hat, dass selbst Neo-Nazis nicht mehr an diesen vorbeikommen. 

Ich denke dabei vor allem an -

  • die zentrale Rolle Dr. Bauers als Ankläger gegen General Otto Ernst Remer 1952; erst durch Remer’s Verurteilung konnte  in Deutschland die Ehrung des militärischen Widerstandes gegen Hitler nicht länger als ‘Landesverrat’ abgetan werden, sondern war nunmehr öffentlich zu würdigen; 
  • die zentrale Rolle Dr. Bauers in der Identifizierung von Person und Lokalisation, samt nachfolgenden Ergreifung, des Holocaust-Organisators Adolf Eichmann; erst dadurch konnte es  in Israel zum Eichmann-Prozesses kommen, 1962 in Jerusalem, der zu einem wesentlichen weil nationale Identität-herstellenden israelischen Ereignis geworden ist; 
  • die zentrale Rolle Dr. Bauers in der Initiierung und Durchführung der Frankfurter Auschwitz-Prozesse (1963-1968), insbesondere des ersten Auschwitzprozesses (1963-65); erst dadurch konnte es  in Deutschland zu einer zumindest teilweisen Überwindung von Verdrängung und Verleugnung der nationalsozialistischen Menschenschlachterei kommen, wodurch die  Auschwitzprozesse zu einem wesentlichen weil nationale Identität-herstellenden deutschen Ereignis geworden sind; bemerkenswerterweise folgt die bundesdeutsche Rechtsprechung heute (aber nicht 1963-68) genau der Bauer’schen Rechtskonzeption, wonach der Nachweis eines direkten Tötungsdelikts in Vernichtungslagern nicht notwendig sei, denn  jedwede Mittäterschaft, tägliche Präsenz vor Ort, etc., trug zum reibungslosen Ablauf der gemeinschaftlichen Tötungsmaschinerie bei.
  • die zentrale Rolle Dr. Bauers 1965 als Urheber und Autor des generalstaatsanwaltschaftlichen  ‘Antrages zur Voruntersuchung’ wegen Rechtsbeugung, Strafvereitlung, etc., gegen die Spitzen des Reichsjustizwesens (Minister, Oberlandesgerichtspräsidenten, Generalstaatsanwälte, etc.), da diese in einer Sonderkonferenz, abgehalten in Berlin am 23.4.1941, vorsätzlich und konspirativ die heimtückische Ermordung von zumindest 70,000 deutschen Staatsbürgern außer Verfolgung gesetzt hatten obschon jede einzelne diese ärztlich überwachten Ermordungen (‘Euthanasie' bzw. 'T4-Program’) den Tatbestand Mord bzw. heimtückischer Mord erfüllte gemäss der anzuwendenden Paragraphen des Reichsstrafgesetzbuches, inklusive der besonderen Paragraphen bezüglich Ermordung von Kindern. Die meisten der voraussehbar Anzuklagenden waren zu Bauer’s Zeit in höchsten Führungspositionen des bundesdeutschen Justizwesen, zur Anklage-Erhebung kam es wegen Bauer’s so ganz plötzlichem Tod-in-der-Badewanne nicht. Aber: Seine Anklageschrift ist ein einzigartiges Dokument des Niederganges von deutschem Recht und deutscher Medizin in der Nazi-Zeit; und wird ein Schlüsseldokument sein vor der UNO, die sich als Teil der Erweiterung der Genozid-Definition auch mit dem Schutz vor Patienten-Massentötungen beschäftigen wird.   

Ich habe auf der www Seite der SPD Büdingen gesehen, das sich inzwischen auch das nach Bauer benannte Frankfurter Fritz-Bauer-Institut in dieser Sache zu Wort gemeldet hat. Ich gestatte mir den Hinweis, dass gerade dieses von Land Hessen getragene Institut den Unbekanntheitsgrad von Dr. Fritz Bauer in Deutschland wesentlich erhöht hat und an der Deformierung seines Andenkens entscheidend beteiligt ist, etwa durch die Begünstigung, ja: Ermöglichung der verfälschenden Bauer-Biographie des Journalisten Steinke, die von Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg im Jahr 2014 in der ZEIT scharf gerügt wurde; siehe anliegendes pdf Dokument zum Beleg.

Diese einzigartige Rüge des Generalstaatsanwaltes von Bradenburg war der Grund, warum ich am 14.12.2016 schriftlich vorschlug, doch Dr. habil. Wojak zu einem Bauer-Vortrag nach Büdingen einzuladen: Sie hat die grundlegende und bahnbrechende Biographie über Bauer's Leben geschrieben und deswegen wurde ihr als erster deutscher Historikerin die Ehrung der Harvard Universität zuteil in Form der Ernennung zum Fellow am Radcliffe Institute for Advanced Studies; siehe https://www.radcliffe.harvard.edu/people/irmtrud-wojak.


 

Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann (CDU) würde gerne an der Eröffnung und Benennung des „Fritz-Bauer-Steg“ teilnehmen. Dies teilte sie uns in einer E-Mail im Dezember 2016 mit. 

 

 

Hier ein Leserbrief von Dr. Udo Stern, Ehrenamtsagentur Büdingen (Kreisanzeiger vom 04.01.2017):


 

 

 

 

                                                                                                                                         www.fritz-bauer-institut.de

„Als weltoffene Stadt ein Zeichen setzen“

ZUSTIMMUNG Bündnis: Brücke nach Fritz Bauer benennen

BÜDINGEN - (red). Im Zuge des Stadtumbaus ist in der Emil-Diemer-Anlage eine neue Brücke über den Seemenbach errichtet worden. Inzwischen ist die Namensgebung dieser Brücke in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Die Büdinger SPD stellte den Antrag, sie nach Fritz Bauer zu benennen (der Kreis-Anzeiger berichtete). Boris Winter vom Büdinger Bündnis für Demokratie und Vielfalt hält den Vorschlag, den Übergang über die Seeme nach dem ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt zu benennen, für eine sehr gute Idee.

„Fritz Bauer hat wie kaum ein anderer dazu beigetragen, begangenes Unrecht der NS-Zeit in der Nachkriegszeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rufen und auch gerichtlich zu ahnden. Trotz großen öffentlichen Widerstands ist es auf seine Initiative zurückzuführen, dass der erste Auschwitz-Prozess geführt wurde“, führt Winter in einer Pressemitteilung des Bündnisses weiter aus.

In einer Zeit, in der das historische Erbe immer mehr in den Hintergrund trete und es nur noch sehr wenige Zeitzeugen gebe, sei es für Büdingen wichtig, als weltoffene und tolerante Stadt ein Zeichen zu setzen. Das Büdinger Bündnis für Demokratie und Vielfalt gründete sich im vergangenen Jahr unter anderem auch als Reaktion auf die teilweise erschreckend hohe Zustimmung für rechtsradikales Gedankengut in der ehemaligen Kreisstadt.


„Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, die frei ist von Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung. Rechte Parolen und Diskriminierung von Andersdenkenden dürfen nicht wieder salonfähig werden. Wo einem Emil Diemer gedacht wird, sollte im Hinblick auf unsere Vergangenheit in jedem Fall auch Platz für einen Fritz Bauer sein“, betont Boris Winter abschließend.

Kreisanzeiger vom 16.01.2017

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